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Friedberg, im März 2019.
Die Problematik der seit September 2018 gültigen WLTP-Norm ist für den Pkw bereits hinreichend diskutiert worden. Ab 1.9.2019 gilt die WLTP-Zertifizierung auch für alle neu zugelassenen Nutz- fahrzeuge der Kategorie N1 und N2 mit einer Bezugsmasse (Fahrzeugleergewicht inkl. Fahrer, 90% Tankfüllung + 25 kg) von bis zu 2.840 kg.Über 40 Prozent der produzierten Nutzfahrzeuge der „Transporterklasse“ werden von der Fahrzeugindustrie als Fahrgestelle ohne Aufbau verkauft und erfahren erst bei den überwiegend mittelständisch geprägten Aufbauhersteller-Betrieben ihre kun- denspezifische Aufbauart. Zusätzlich wird ein Großteil der betroffenen Fahrzeuge mit Nachrüstun- gen und Ergänzungen wie Inneneinrichtungen, Signalanlagen etc. ergänzt. Ob Feuerwehr, Bäcker, Glaser oder Wäschereifahrzeug – für alle Fahrzeuge mit individuellen Auf- und Ausbauten müssen vom Aufbauhersteller alle relevanten Werte zur Erstellung eines WLTP-Dokuments ermittelt wer- den. Aus diesem Grund lud der Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) im Feb- ruar alle relevanten OEM, Prüfgesellschaften, KBA und VDA zu einem offenen Erfahrungsaus- tausch in die Geschäftsstelle nach Friedberg ein. Der ZKF vertritt unter anderem rund 600 mittel- ständisch geprägte Aufbauhersteller (ABH), die je nach Kundenwunsch die Fahrgestelle der Nutz- fahrzeughersteller entsprechend auf- und umbauen.
WLTP-Problematik beginnt schon bei der Angebotserstellung der ABH
Der Vizepräsident des ZKF Claus Evels betont, dass bereits bei der Angebotserstellung der ABH mit WLTP konfrontiert ist und schon zu diesem Zeitpunkt eine umfangreiche Hilfestellung seitens der OEM benötigt. Entsprechende Berechnungs-Tools der OEM zur Eingabe der Daten wie Stirn- fläche, Gewicht und Reifen-Abrollwiderstand ohne notwendige Eingabe einer VIN (Fahrgestell- nummer) sei unverzichtbar, damit bereits vor der Produktion des Basisfahrzeugs eine Baubarkeit und WLTP-Konformität des Auf- und Umbaus geprüft werden kann. Andernfalls besteht im schlech- testen Fall das Risiko einer Nicht-Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs. Für die Berechnung benötigt der ABH bereits die genauen Daten des Basisfahrzeuges durch den OEM bzw. den Nutzfahrzeug- Verkäufer.
Einige OEM bieten Kalkulationsplattformen
Damit Aufbauhersteller ihr Aufbauprojekt zwecks Angebotserstellung auf WLTP-Konformität über- prüfen können, bieten leider noch zu wenige OEM webbasierte Kalkulationsplattformen an, auf de- nen durch Eingabe von Gewicht, Abmessungen und Rollwiderstand die WLTP-Werte errechnet werden. Dies erfolgt in Kombination mit den jeweiligen Motordaten und weiteren Fahrzeugdaten des Herstellers. Da bei der Bestimmung des WLTP-Wertes in den meisten Fällen eine konkrete VIN (Vehicle Identification Number) gefordert wird, stellen einige OEM – wie durch den ZKF in den ver- gangenen Monaten gefordert – einen vorläufigen Marketingcode zur Verfügung, der sich zur Ange- botserstellung und WLTP-Berechnung ohne VIN und ohne reale Bestellung des Fahrzeugs eignet.
Einzelne Detailfragen zur einfachen Berechnung und Bestimmung spezifischer Eingabewerte durch den ABH ohne Anwendung von CAD-Programmen bleiben derzeit leider noch unbeantwortet. Nach Angabe der Fahrzeughersteller werden ab Juni 2019 sämtliche OEM eine Online-Plattform zur WLTP-Berechnung den ABH zur Verfügung stellen.
In diesem Zusammenhang hat der ZKF auf dem Erfahrungsaustausch den Fahrzeugherstellern angeboten, die künftigen OEM-Schulungen zur WLTP-Berechnung, zu koordinieren und in der Ge- schäftsstelle des ZKF zu zentralisieren. Hierdurch könnte sich der zeitliche Aufwand für alle Betei- ligten minimieren und der ABH beispielsweise in einer 2-Tages-Schulung in Friedberg durch ver- schiedene OEM zentral geschult werden.
Prüfgesellschaften agieren je nach Bundesland
Die Prüfgesellschaften äußerten sich dahingehend, dass noch nicht alle Detailfragen auf nationaler Ebene geklärt sind und eine bundesweite WLTP-Regelung für Aufbauhersteller nicht durchzusetzen sei. Die Erteilung einer Einzelbetriebserlaubnis für die betroffenen Fahrzeuge erfolgt durch die örtli- che Zulassungsstelle, die dem Ministerium des jeweiligen Bundeslandes untergeordnet ist, womit sich unterschiedliche Verfahren ergeben können. Damit wird dieses Thema bisher noch als Länder- sache deklariert. Von Seiten des TÜV bestehen Arbeitskreise und eine möglichst einheitliche Um- setzung werde angestrebt. Es wird deutlich, dass es keine allgemeine Lösung für ein anerkanntes Schema der Einzeltypgenehmigungen gibt. Jeder Fall muss daher gesondert bewertet werden. Die Prüfgesellschaften teilen mit, dass es für die Genehmigung notwendig ist, alle Werte nachvollziehen zu können. Derzeit sei daher keine andere Lösung erkennbar, als auf die Hersteller zurückzugrei- fen.
WLTP ist erst die Vorstufe von RDE
Als Fazit des WLTP-OEM-ABH-Erfahrungsaustauschs ist zu sagen, dass das Thema insgesamt noch nicht vollständig und für den Aufbauhersteller zufriedenstellend gelöst ist. Die webbasierenden Berechnungsprogramme sind herstellerspezifisch und nicht standardisiert.
Spannend und höchst aktuell bleibt diese Herausforderung allerdings, denn die neue Norm RDE (Real Driving Emission) steht quasi schon vor der Tür. Im Gegensatz zu WLTP erfolgt die Bestim- mung der Verbrauchs- und Emissionswerte nach RDE nicht auf dem Prüfstand, sondern im laufen- den Straßenverkehr. Die Hersteller geben an, dass bereits durchgeführte WLTP Berechnungen noch nicht im RDE-Verfahren geprüft wurden.
Die Herausforderung wird sein, gemeinsam mit Gesetzgeber und Fahrzeugindustrie Verfahren zu erarbeiten, damit auch zukünftig die für die Wirtschaft und Behörden erforderlichen individuellen Aufbaulösungen weiterhin in Deutschland zugelassen werden können.